Montag, 20. Oktober 2008

Dienstag, 7. Oktober 2008

Das Ende des Sommers

War das gestern oder heute als ich um sechs Uhr sehr früh die Datei schloss, um sie ein für allemal wegzuschicken? Das Manuskript, das mich den ganzen Sommer überallhin begleitete. Zu Ende. Geschrieben. Zitternd, meine Beine durchsichtig und weich wie schmelzende Eiszapfen.

„Bist du jetzt wieder ein freier Mann?“ fragt B. mich am Telefon, nach ein paar Stunden Schlaf. Ich überlege. Ja. Es irritiert mich nur, dass nach dem Auftauchen aus der versunkenen Welt, auf einmal all die anderen dicken und schmalen Fische wieder neben mir treiben, die verschwunden schienen. Geschäftig wedeln sie durch mein Nordmeer, bedruckt mit Telefonnummern und unerledigten Notizzetteln. Wo waren sie die ganze Zeit? In welchen Winkeln hatten sie sich verkrochen? Was wollen sie jetzt von mir? Hey, lasst mich in Ruhe! Ich will nicht da weitermachen, wo ich vorher verpflichtet war. Ich habe jetzt andere, persönlichere Aufträge. Haut bloß ab!

Das Holz sägen, in handliche Stücke hacken und in den Schuppen tragen. Für den Winter.

Es ist Herbst geworden in dieser einen Woche, der Wind schnappt sich gut gelaunt und mit etwas Frost beweht all die sauber sortierten Gedanken und wirbelt sie restlos durcheinander. Traumzeit. Innenreise. Märchenreif entlang der Landstraße. Ich höre die Stimme von Neil Young von weit, weither über den Ozean. Die Äpfel leuchten wie Goldklumpen im fallenden Licht.

Morgens um zehn Uhr, auf dem Weg nach Potsdam, stolpert ein Mädchen, oder ist es eine junge Frau?, in roten Stiefeln an der Bundesstraße entlang, sie bietet sich an, eindeutig, von einer Macht bezwungen, beinah verrückt vor Scham. Ich falle aus dem Märchenreif, aus dem Nordmeerbild, purzle mitten in die Wirklichkeit und bin für Minuten nicht fähig weiterzureden. A. murmelt: Menschenhandel, Osteuropa. Ich verstehe ihn kaum. Mädchen, Mädchen …
Und später, die Szene im Film, als Ruth Klüger, die jüdische Schriftstellerin, der Bande von Skinheads gegenübersteht, wie sie entsetzlich rüde und scharf dazu aufgefordert wird, jetzt mal keine Stories vom Holocaust zu erzählen, sondern mal was echtes, was sie wirklich erlebt hat. Und sie, Ruth Klüger, die ich nicht kenne, ist schluckt tapfer alles zur Seite, es brodelt in ihr, aber sie spricht weiter, sie ringt um jedes Wort. Sie will jetzt nicht weglaufen. Sie bleibt da, diesen jungen Menschen, die nicht glauben wollen, was passiert ist, ein Gegenüber, sie erzählt, was sie in der eigenen Haut erlebt hat. Sie ist zerbrechlich und so stark, wie viele dieser Menschen, die überlebt haben. Würdevoll. Erzählt sie langsam von dem Geruch, als sie ankam, der alles durchwehte, den kein Wind jemals aus dem Gedächtnis vertreiben kann.

Und jetzt fällt es mir wieder ein. Auf einmal bin ich ganz klar. Es war gestern. Nicht heute. Gestern früh. Gestern war der Tag, als der Sommer endgültig vorbei war.

Samstag, 9. August 2008

Unterwegs ...

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... bis dahin!

Mittwoch, 6. August 2008

Schön nostalgisch

Mal den Platz für eine Ankündigung nutzen:


Das WANDERKINO mit T. Rank (Piano) und G. Stephan (Violine) gastiert am Samstag, 9. August im Schlosspark Wiesenburg. Alte Glanzlichter der Stummfilmära u.a. mit Charlie Chaplin und Bester Keaton, aber auch drei Filme aus dem 21. Jahrhundert werden auf anmutige, sensible Weise musikalisch begleitet.

Das Programm:
Gebrüder Lumiere – Kurzfilme (1895)
Mack Sennett – Die Pferderennbahn (1914)
Charlie Chaplin – Das Pfandhaus (1917)
Buster Keaton – The Boat (1921)
Ron Dyens – La Flamme (2000)
Kirsten Winter – Filmolog (2003)
Jörn Staeger – Zielpunkte der Stadt (2004)

Preise: 7.- € , ermäßigt: 3,50 €
Beginn: 21:00 Uhr am Samstag, 9.8.08
Ort: im Schlosspark Wiesenburg am Ufer des Schlossteiches

Viel Vergnügen!

Samstag, 2. August 2008

Alle Neune (Samstagnachmittag beim Dorffest)

Das Dorf Hagelberg besteht eigentlich aus zwei Dörfern. Hagelberg und Klein-Glien gehören zusammen, obwohl sie einen halben Kilometer auseinander liegen. Das größere Klein-Glien zieht sich unten an der Bundesstraße entlang und das alte Gutsdorf Hagelberg liegt oben, auf der höchsten Kuppe des Flämings. Für mich als Hagelberger ist Klein-Glien ein anderes Dorf, mit anderen Menschen, und es ist etwas seltsam, dass unser Dorffest in Klein-Glien stattfindet.
Tatsächlich besuchen wir das Dorffest zum ersten Mal, weil wir in den letzten Jahren am ersten August-Wochenende immer ein Freundesfest in unserem Garten feierten. Aber dieses Jahr fiel unser Fest aus.

Wir rollen mit den Rädern den Hagelberg hinunter und schon sind wir da.

Ich bin überrascht von der friedlichen und beschaulichen Atmosphäre, als wir eintreffen. Gar kein Remmidemmi, wie befürchtet. Ein Festzelt, ein großer Bierstand, ein Imbisswagen mit Würstchengrill, eine Hüpfeburg für die Kinder, ein Wildschwein über dem offenen Feuer – und:
Die Kegelbahn! Eine liebevolle Eigenkonstruktion aus Gerüstbohlen, einem Förderband und einer Holzrinne, auf der die Kugeln zurück geschickt werden.
Ein Wettkegeln findet statt: Wer mit drei Würfen am meisten Kegel abräumt, gewinnt eine Schubkarre. Ich probiere es ohne besonderen Ehrgeiz, aber mit viel Schwung, und treffe gleich beim ersten Mal alle Neune. Wow! Danach läuft es nicht mehr ganz so gut, aber immerhin: 23 Treffer. Das bedeutet Platz zwei zu diesem Zeitpunkt!
Wir probieren das Wildschwein, essen Kuchen, unterhalten uns mit den Hagelberger Nachbarn. Die Sonne kommt heraus. Die Kinder spielen. Es ist friedlich und schön.


Kurz vor 18 Uhr kommt ein älterer Mann und räumt auf Anhieb 25 Kegel ab. Damit ist er Erster und bekommt die Schubkarre. Ich darf an einem Stechen um den dritten Platz teilnehmen. Nach einem Durchgang steht es erneut unentschieden. Dann schaffe ich noch einmal 22 Kegel - Holterdipolder - und bin damit Dritter. Nach der Niederlage beim Dosenwerfen kürzlich beim Lübnitzer Sommerfest tut mir dieser Erfolg sehr gut. Es ist erstaunlich, wie tief es mich befriedigt, Kegel oder Dosen abzuräumen. Es löst echte Glücksgefühle in mir aus. Ich fühle mich wirklich sehr gut als dritter Sieger.
Als Preis bekomme ich eine Tüte voll mit Schreibwaren.

Ich trinke noch ein Radler, wir teilen uns noch einen Wildschweinbraten und dann radeln wir wieder auf unseren Berg hinauf.

Mittwoch, 30. Juli 2008

Pflicht und Freude

Ich schlief und träumte, das Leben wäre Freude.
Ich erwachte und sah: Das Leben war Pflicht.
Ich handelte und sah: Die Pflicht ward zur Freude.

Rabindranath Tagore

Donnerstag, 3. Juli 2008

Donnerstag, 21. Februar 2008

Versuch, Gänge frei zu legen I

So fing ich gestern an, die Maulwurfshügel im Garten abzutragen. Der Maulwurfs-Clan, der sich bei uns heimisch fühlt, nutzt unsere Garten-Abwesenheit im Winter, um das Grundstück großflächig umzugraben. Es gibt Zentren seiner Aktivität und Bereiche, an denen er nicht so interessiert ist, aber er werkelt in mindestens sieben bis acht Hauptzentren und auf einigen Nebenbauplätzen.
Im Sommer verhält er sich ruhig.
Das war nicht von Anfang so, als wir hier einzogen.
Es dauerte ein paar Jahre und mehrere Versuche meinerseits, ihn ganz zu vertreiben, bis wir ein gentlemans agreement fanden: Ich lasse ihn im Winter buddeln – er verhält sich im Sommer ruhig. Dass mein Sohn die Geschichte vom "Maulwurf Grabowski" liebt, nunja, ich mag die Geschichte auch.
Ich trug also mit einem Spaten die ersten Hügel ab und schaufelte die Erde in eine Schubkarre. Schon fünf bis sechs Hügel ergeben eine volle Karre. Der Maulwurfshügel, der sich aufschichten ließe, wenn ich all die Maulwurfserde zusammen schüttete, die er und ich in den letzten sieben Jahren bewegt haben, wäre so hoch, dass eine aufrecht stehende Menschenfamilie komplett darunter verschwinden würde. Zum ersten Mal fragte ich mich, ob wir nicht eines Tages komplett absacken, wenn der Maulwurf unentwegt gräbt. Das Erdreich unter uns muss jetzt schon einer Höhlenlandschaft gleichen. Irgendwo muss die Erde, die er auswirft, doch fehlen!
Ich stapfte fest auf, um die Tragfähigkeit des Bodens zu überprüfen. Hält noch, dachte ich, und fuhr die erste Schubkarre weg. Dann sah ich Sterne vor Augen ...
es ist nur ein Schnupfen, aber er ist hartnäckig. Und der Schleim verstopft meine geheimen Gedankengänge.